Jahreslosung 2024
«Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe»
1. Korinther 16,1
Sekretariat Kerzers,
Am 3. Mai 1728 gab Niklaus Ludwig von Zinzendorf seiner Brüdergemeinde die erste Losung mit auf den Weg. Ein Bruder ging von da an allmorgendlich in die Häuser und verkündete das Wort für den Tag, wobei er sich auch um das Wohlergehen seiner Mitbrüder und -Schwestern kümmerte und diese, wenn nötig, seelsorgerlich betreute.
Ab 1731 wurden die Losungen dann jeweils Ende Jahr für das ganze kommende Jahr gezogen.
Bis heute ist die Herrenhuter Brüdergemeinde dieser Tradition der Tages- und Jahreslosungen treu geblieben.
Über dem Jahr 2024 soll nun ein neutestamentlicher Vers aus dem 1. Brief des Paulus an die Korinther stehen: «Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe.»
Ein schöner Vers denkt man sich vielleicht, wenn man ihn liest – und legt ihn früher oder später wahrscheinlich wieder auf die Seite.
Zu viel Post, Nachrichten, E-Mails… und… eigentlich ja nichts Neues. Ja, man weiss es, man wüsste es, selbst wenn man sich nicht zum Christentum bekennt und selbst wenn man mit der Kirche nichts am Hut hat: Wir sollten einander lieben, und wir sollten aus der Liebe heraus handeln.
Ich stelle mir vor, wie es wäre, wenn ich als Pfarrer dieses Losungswort – wie dazumal – in die Häuser tragen würde.
«Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe!» würde ich dann unter den Türen den Menschen zurufen.
Wie sie wohl reagieren würden?
Würde dieses Wort nicht eher… als «Lieblosigkeit» empfunden werden?
Das Leben ist doch schon hart genug. Der Druck und die Erwartungen von allen Seiten sind bereits so hoch, dass viele Menschen auf dem Zahnfleisch gehen, und, wahre Liebe, das haben nur wenige in ihrem Leben erfahren, wie es mir leider nach einigen Jahren als Pfarrer und Seelsorger bewusst geworden ist.
Und da sollte ich, trotz allem, die Menschen auch noch zum liebevollen Handeln auffordern?
«Nein, nicht genug, was ihr da alles leistet – ihr müsst es nun auch noch ‘mit Liebe’ tun!»
Lieblos wäre ein solcher «Liebesappell» doch in der Tat!
Ob das dem Paulus, dem Schreiber dieses 1. Briefes an die Korinther nicht klar war?
Wahrscheinlich doch, denn diese Aufforderung zur Liebe steht am Ende seines Briefes und seiner Verkündigung.
Am Anfang seiner Verkündigung steht die Botschaft, dass Gott uns geliebt hat, und dass er uns, aus dieser Liebe heraus, in seine Gemeinschaft gerufen hat.
Der Vers für das Jahr 2024 sollte also ergänzt werden: «Alles, was ihr tut, geschehe in der Liebe, mit der ihr selbst von Gott geliebt worden seid!»
So wird es auch im 1. Johannesbrief ausgedrückt: «Wir lieben, weil er uns zuerst geliebt hat.»
Und so endet auch das Johannesevangelium: Jesus sagt seinen Jüngern - vor seiner Festnahme und Kreuzigung –, dass sie in seiner Liebe bleiben sollen. «Wie der Vater mich geliebt hat, habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe!»
Niemand weiss, was das Jahr 2024 bringen wird. Oftmals möchten wir den Plan für unser Leben haben, wissen, was auf uns zukommen wird.
Doch, vielleicht ist – auch in diesem neuen Jahr – der einzige Plan, den es zu verfolgen gilt, sich in der Stille dieser Liebe Gottes zu öffnen, in dieser Liebe zu bleiben, dieser Liebe zu vertrauen und aus dieser Liebe heraus zu wirken.
Und vielleicht wird am Ende des Jahres dann auch das Einzige, was es wert sein wird erinnert zu werden, dasjenige sein, was aus dieser Liebe heraus entstanden ist.
Mögen Sie, liebe Leserin, lieber Leser, diese Liebe Gottes – durch Gott, durch Menschen und die ganze Schöpfung – erfahren, möge diese Liebe Sie leiten und bewahren und mögen Sie aus dieser Liebe heraus das neue Jahr (er-)leben.
Das wünsche ich Ihnen von Herzen!
Pfarrer Stephan Urfer, Kirchgemeinde Kerzers